Tochter des Langobarden-Königs
Desiderius
Treffer Gerd: Seite 31-32
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"Die französischen Königinnen. Von Bertrada
bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert)"
Desiderata - die
Nicht-Ersehnte
um 747, + 776
Zweite Gemahlin KARLS DES GROSSEN
Heirat: 25. Dezember 770 Mainz
Ganz anders, als ihr Name es vermuten ließe, ist
Desiderata
eigentlich niemals so recht "die Ersehnte". KARL
DER GROSSE heiratet sie, nachdem er Himiltrud
verstoßen hat, auf Anraten seiner Mutter. Sie wird aber nur etwa
ein Jahr lang seine (zweite) Frau und Königin des Frankenreiches sein,
letztlich ein Spielzeug politischer Ambitionen ihrer Schwiegermutter. Die
Tochter des langobardischen Herrscherpaares Desiderius
und Ansa hat mütterlicherseits
Vorfahren in Bayern, väterlicherseits bei den rheinischen Herren von
Nassau.
Der in Pavia geborenen Prinzessin hätte sicher niemand
vorhergesagt, sie würde eines Tages einen Sohn Pippins
heiraten, des Mannes also, der so erbittert gegen ihren Vater gekämpft
hatte, um dem Papst zu Hilfe zu kommen. Die Heirat wird bezeichnenderweise
von Pippins Witwe Bertrada
eingefädelt, die pikanterweise auch schon bei KARLS
erster Frau diese Rolle gespielt hatte. Sie war 770 nach Italien gereist
und hatte die 21-jährige Prinzessin mitgebracht.Trotz aller anderslautender
Beteuerungen der Königin-Mutter beruht die Hochzeit ausschließlich
auf politischen Überlegungen, dient Bertradas
großem europäischen Friedensplan und der Aussöhnung der
Franken mit den Langobarden. Dazu gehörte auch die Heirat von Desideratas
jüngerer Schwester Gerberga mit
KARLS
Bruder
Karlmann. Ihre anderen Schwestern
sind mit dem Bayern-Herzog Tassilo und dem neuen Langobarden-Herzog von
Benvent verheiratet.
Mochte die Friedensordnung, die Bertrada
anstrebt, zwar faszinierend sein, der Papst konnte ihr nicht zustimmen.
Franken, Bayern und Langobarden vereint, das Papsttum und der junge Kirchenstaat
wie eine Nuß im Nußknacker eingeklemmt zwischen dem norditalienischen
Königreich Langobardien und dem süditalienischen Langobarden-Herzogtum
Benevent - das konnte auf Dauer nur zu Lasten des Heiligen Stuhls gehen.
Vehemant greift Papst Stephan III. die Ehe zwischen Desiderata
und KARL an. Seine Sendschreiben atmen
Panik: "Was für ein Wahnsinn, daß Euer edles fränkisches
Volk, das alle Völker überstrahlt, und Euer so glänzendes
und edles Königsgeschlecht befleckt werden sollte durch das treulose
und stinkende Volk der Langobarden, das gar nicht unter die Völker
gerechnet wird und von welchem bekanntlich die Aussätzigen stammen."
Bertradas Plan scheitert,
ja, er verkehrt sich ins Gegenteil. Sie wollte ein Gleichgewicht der europäischen,
christlichen Nationen erzielen; sie erreicht eine Spaltung: auf der einen
Seite KARL und die Langobarden - Karlmann
und das Papsttum auf der anderen.
Nach der Plünderung Roms durch Desiderius
ist KARL mit seinem Schwiegervater
unzufrieden und der Bevormundung durch seine Mutter leid. Mit Desiderata
versteht er sich schlecht. Hinzukommt, daß er sich in eine 13-jährige
schwäbische Prinzessin verliebt hat KARL
entschließt sich zu einer radikalen Lösung. Er schickt Desiderata,
die ungeliebte langobardische Königstochter, die für ihn nur
noch eine politisch schädliche Beziehung ist, ihrem Vater zurück.
Als Vorwand dient ihm die Behauptung ihrer Sterilität. Nach nur einem
Ehejahr ist das kaum eine überzeugende Begründung. Sie kann auch
niemanden täuschen. KARLS Schritt
findet nicht die einhellige Zustimmung der Franken. Sein Vetter
Adalhard,
einer der Trauzeugen, fühlt sich durch diese Tat meineidig gemacht.
Er verläßt den Hof und tritt in das Kloster Corbie ein.
Am 4. Dezember 771 stirbt Karlmann.
KARL
wird fränkischer Gesamtherrscher. Gerberga,
Karlmanns
Witwe, die um ihre Kinder fürchtet, läßt sich im S nieder,
kehrt dann nach Italien zurück. Desiderata
stirbt fünf Jahre später im Jahre 776 mit 29 Jahren.
I. Generation
1 b
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Die Ehe KARLS mit
der Tochter des Langobarden-Königs, deren unbeglaubigter Name
"Desiderata", den Brandenburg mit Fragezeichen bringt, ganz
fallenzulassen ist, gehört zu 769, ihre Trennung ins Jahr darauf,
spätestens Anfang 771.
Nach diesem energischen Auftakt scheint er jedoch die Initiative seiner Mutter Bertrada überlassen zu haben, denn das Jahr 770 sah die Witwe Pippins in einer für die gesamte karolingische Geschichte einzigartigen Weise im Vordergrund des Geschehens. Im Namen einer Politik des Ausgleichs nach allen Seiten vermittelte sie bei Karlmann in Selz (Elsaß) und begab sich dann zu Herzog Tassilo III., dem Vetter ihrer Söhne, nach Bayern, ferner zu dessen langobardischem Schwiegervater Desiderius nach Pavia und auch zu dem über jede fränkisch-langobardische Annäherung besorgten Papst Stephan III. (768-772) nach Rom. Das Ergebnis ihrer Diplomatie kam einer Preisgabe wesentlicher Ziele des verstorbenen Pippin nahe, denn es bestand in der Hinnahme der Eigenständigkeit Bayerns und in der Aussicht auf ein doppeltes Ehebündnis mit dem zuvor zweimal zum Schutze des Papstes besiegten Langobarden. Diese überraschende Schwenkung kann nicht gegen den Willen KARLS erfolgt sein, denn er war es, der die von Bertradamitgebrachte Tochter des Desiderius noch 770 heiratete, unter Aufgabe der Himiltrud und gegen den beschwörenden Warnungen aus Rom vor "dem treulosen und stinkenden Volk der Langobarden". Zwar kam die von Desiderius auch gewünschte Vermählung seines Sohnes (und Mitkönigs) Adelchis mit der 13-jährigen Gisela, der Schwester der Frankenkönige, nicht zustande, doch wog die neue Allianz schwer. Sofern sie nur dazu dienen sollte, dem jüngeren Karlmann, dessen südliches Teilreich allein an die Alpen grenzte, den Weg zu einer erfolgreichen Fortsetzung der hegemonialen Italienpolitik Pippins zu verbauen, war der Preis hoch, denn unter dem wachsenden Druck des Desiderius kam es bereits im Frühjahr 771 zu einem Umsturz in Rom, durch den die dortige frankenfreundliche Partei ausgeschaltet und Stephan III. genötigt wurde, sich den Langobarden zu fügen. Das mag bewirkt haben, dass KARL nicht lange bei diesem Kurs blieb, denn nach Einhards Bericht hat er die "auf Geheiß seiner Mutter" geheiratete langobardische Königstochter (unbekannten Namens) schon nach einem Jahr wieder verstoßen. Die Zeitangabe läßt offen, ob dieser Entschluß noch vor dem Tod Karlmanns gefaßt wurde (und dessen Witwe dann Veranlassung gab, sich zu Desiderius, KARLS brüskiertem Schwiegervater, zu flüchten) oder erst nach dem Tod des Bruders, als die unverhoffte Aussicht auf die eigene Alleinherrschaft KARL die Bindung an den Hof von Pavia als lästige Fessel erscheinen zu ließ.
Konecny Silvia: Seite 67
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"Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die
politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen
Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."
Die langobardische Prinzessin heiratete KARL
770 auf Anraten seiner Mutter Bertrada.
Diese Heirat war die einzige Eheverbindung der KAROLINGER
mit dem langobardischen Königshaus, ja die einzige Ausländerehe
zur Zeit KARLS DES GROSSEN überhaupt,
obwohl etliche ähnliche Eheprojekte existierten. Die Ehe mit der Langobardin
darf nicht mit demselben Maß gemessen werden, wie die Verbindung
mit einem fränkischen Mädchen. Je nach politischer Lage nahm
die Tochter des Desiderius wohl entweder
die Ehrenstellung als Gemahlin KARLS
ein oder fand Geringachtung als Geisel. Die Quellen berichten die langobardische
Heirat mit den für Vollehen üblichen Terminus, nirgends wird
die Langobardin Königin genannt. Weder ist auszuschließen, daß
sie zugleich mit Himiltrud am Hof KARLS
lebte, noch daß sie vielleicht nach kurzer Zeit Hildegard
als König neben sich zu respektieren oder zumindest zu erwarten hatte.
Die Heirat besiegelte ein kurzfristiges Bündnis zwischen Langobarden
und Franken, dessen Auflösung KARL
mit der Verstoßung seiner Gattin dokumentierte.
769
oo 2. KARL I. DER GROSSE
x 2.4.742/47-28.1.814
Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899
- Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte
Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977, Seite 497,498 - Herm,
Gerhard: Karl der Große. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf, Wien,
New York 1987, Seite 78,81,94,96,100,105,118,127,192 - Illig Heribert:
Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der
Geschichte. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1996, Seite
49,50 - Kalckhoff Andreas: Karl der Große. Profile eines Herrschers.
R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987, Seite 38-39,50,80,251 -
Konecny
Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische
Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie
vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien
1976, Seite 67 - Mühlbacher Engelbert: Deutsche Geschichte
unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion
Band I Seite 128 - Nack Emil: Germanien. Ländern und Völker
der Germanen. Gondrom Verlag GmbH & Co. KG, Bindlach 1977, Seite 215,280
- Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada
bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg
1996, Seite 28,37,41 - Wies Ernst W.: Karl der Große. Kaiser
und Heiliger. Bechtle Verlag Esslingen 1986, Seite 61,63,66,71,141,253,257
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